Zwischen Beijing und Washington
Chinas Botschafter a.D. in Deutschland: EU wird sich nicht vollst?ndig auf die Seite der USA stellen Exklusiv
Am 1. Juli übernahm Deutschland die halbj?hrlich rotierende EU-Ratspr?sidentschaft. Der erfahrene Diplomat wies darauf hin, dass die deutsche Ratspr?sidentschaft für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und China von ?u?erst hoher Bedeutung sei. Die EU stehe derzeit vor einer doppelten Herausforderung: Die eine sei es, Europas Weg in der Post-Corona-Zeit zu finden. Die zweite bestehe darin, die Rolle Europas in der turbulenten internationalen Konstellation zu definieren, glaubte Shi.
?Merkel hat sich vorgenommen, w?hrend der Ratspr?sidentschaft die drei Hauptaufgaben der EU zu erfüllen: gemeinsame Bek?mpfung von COVID-19, F?rderung der Integration und Vereinheitlichung der EU-Position und -Politik gegenüber China. Shi erinnerte daran, dass sich in diesem Jahr die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen China und der EU zum 45. Mal j?hrt. Beide Seiten setzten sich derzeit dafür ein, die Verhandlungen über das bilaterale Investitionsabkommen voranzutreiben. Diese Verhandlungen haben bislang sieben Jahre gedauert und sollen voraussichtlich in diesem Jahr endgültig abgeschlossen werden. ?Darüber hinaus arbeiten China und die EU bei der Bek?mpfung des Klimawandels eng miteinander zusammen und wollen auch auf trilateraler Basis mit Afrika zusammenarbeiten, um die ?ffentliche Sicherheit dort zu verbessern“, so Shi.
?Ich hoffe, dass die EU und Deutschland mit China zusammenarbeiten, um ein positives Signal an die Welt zu senden, am Multilateralismus festzuhalten, Unilateralismus zu bek?mpfen und eine Win-win-Zusammenarbeit zu betreiben", drückte Shi seine Hoffnung aus.
Dilemma zwischen USA und China: Warum sich die EU nicht für Washington entscheiden soll
Die Beziehungen zwischen den Gro?m?chten weltweit, aber insbesondere das Beziehungsdreieck USA-China-EU, erf?hrt Shi zufolge derzeit beispiellose und tiefgreifende Ver?nderungen. Vor allem ist das chinesisch-amerikanische Verh?ltnis in seiner schwersten Krise seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen.
?Es ist zum Konsens der beiden Parteien in den Vereinigten Staaten geworden, China als strategischen Gegner zu betrachten und dessen Aufstieg umfassend eind?mmen zu wollen", erkl?rte Shi. Gleichzeitig würden die USA jegliche Anstrengungen unternehmen, um eine sogenannte ?Allianz der Demokratien" zusammenzustellen, mit der eine Konfrontation zwischen China und der internationalen Gemeinschaft heraufbeschworen werden soll. Die USA m?chten Europa dazu zwingen, sich zwischen China und den USA für eine Seite zu entscheiden. ?Die anhaltenden Spannungen in den chinesisch-amerikanischen Beziehungen haben Europa in ein Dilemma gebracht. Ich denke, die EU wird einen Weg finden, damit taktisch klug umzugehen."
Shis Analyse zufolge wird die Grundlage der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Europa erschüttert, was sich vor allem an den unterschiedlichen Standpunkten beider Akteure in zahlreichen internationalen Fragen zeigt.
2017 begann US-Pr?sident Donald Trump mit seiner America-First-Politik. Seitdem verfolgt Washington eine Politik des Unilateralismus und des Handelsprotektionismus. Als Konsequenz daraus haben sich die USA aus etlichen internationalen Vereinbarungen und Organisationen zurückgezogen. Im April kündigte Trump an, dass die USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) austreten. Als unmittelbare Reaktion versicherte Merkel, dass die WHO Deutschlands unverzichtbarer Partner und die internationale Zusammenarbeit ?herausragend wichtig" für die Bek?mpfung der Corona-Pandemie sei. Diese divergenten Aussagen von Trump und Merkel k?nnten die unterschiedlichen Global-Governance-Konzepte in den beiden L?ndern widerspiegeln, glaubte der chinesische Diplomat.