Zwischen Beijing und Washington
Chinas Botschafter a.D. in Deutschland: EU wird sich nicht vollst?ndig auf die Seite der USA stellen Exklusiv
von Wang Ran, Beijing
Derzeit ereignen sich weltweit beispiellose Ver?nderungen, wie sie seit einem Jahrhundert nicht mehr zu beobachten waren. Durch die COVID-19-Pandemie werden sie noch erheblich versch?rft. Einige der Fragen, die sich viele nun stellen, lauten: Wie werden sich die Beziehungen zwischen China und der EU w?hrend der deutschen EU-Ratspr?sidentschaft entwickeln? Welche Rolle werden Europa und Deutschland spielen, wenn die USA weiterhin Streitigkeiten schüren und versuchen, Chinas Entwicklung einzud?mmen?
Shi Mingde, Chinas ehemaliger Botschafter in Deutschland und neuer Vorsitzender der Gesellschaft für die Chinesisch-Deutsche Freundschaft (GCDF), gab China.org.cn kürzlich ein exklusives Interview. Darin forderte er angesichts der aktuellen internationalen Situation, dass der Wert und die Position Europas und Deutschlands in Chinas au?enpolitischer Strategie verst?rkt berücksichtigt werden sollten. Es sei von gro?er Bedeutung, die Stabilit?t der bilateralen Beziehungen aufrechtzuerhalten.
Shi Mingde war von August 2012 bis April 2019 Chinas Botschafter in Deutschland und ist jetzt als Vorsitzender der Gesellschaft für die Chinesisch-Deutsche Freundschaft t?tig.
Deutschlands EU-Ratspr?sidentschaft: Ein wichtiges Zeitfenster für die Entwicklung der chinesisch-europ?ischen Beziehungen
Shi stellte fest, dass die Bundesrepublik in den letzten Jahren wie ein Stabilit?tsanker die Entwicklung der Beziehungen zwischen China und der EU ma?geblich gepr?gt habe. Unter allen Mitgliedstaaten der Europ?ischen Union (EU) habe Deutschland den engsten Kontakt zu China. Die Tiefe der Zusammenarbeit, die die beiden L?nder pragmatisch in verschiedensten Bereichen umgesetzt haben, hat ein unvergleichbares Niveau erreicht. Auch Dialoge und Austausch finden auf der h?chsten Ebene statt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat China seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2005 bereits zw?lf Mal besucht. W?hrend der sechseinhalb Jahre langen Amtszeit von Shi als chinesischer Botschafter in Deutschland besuchten Chinas Staatspr?sident Xi Jinping Deutschland zweimal und Ministerpr?sident Li Keqiang viermal. Merkel kam im selben Zeitraum sechs Mal nach China. Innerhalb der EU ist Deutschland für China nicht nur der gr??te Handelspartner und Investor, sondern auch das gr??te Land für Technologietransfer. Im Jahr 2019 entfiel knapp ein Drittel des gesamten Handelsvolumens der EU mit China auf Deutschland. Das entsprach dem Gesamtwert von Chinas Handel mit Frankreich, Gro?britannien und Italien.
?Zeitgleich ist auch der pers?nliche und kulturelle Austausch zwischen China und Deutschland immer intensiver geworden“, sagte Shi. Die Zahl der St?dtepartnerschaften zwischen beiden L?ndern erreicht mittlerweile 99. Der Personenaustausch ist von einigen hundert Menschen pro Jahr zur Zeit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen auf nun zwei Millionen pro Jahr gewachsen. Die Zahl der deutschen Studierenden in China ist im selben Zeitraum von drei auf etwa 10.000, die Zahl der chinesischen in Deutschland von zehn auf mehr als 50.000 angestiegen. Diese Tendenz wird auch dadurch unterstützt, dass zwischen den Universit?ten und wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen beider L?nder mehr als 500 Kooperationsabkommen bestehen.
Angesichts der Auswirkungen der Pandemie h?tten sich China und Deutschland auch zusammengetan, um das Virus zu bek?mpfen, er?rterte der Ex-Botschafter in Deutschland. Pr?sident Xi und Ministerpr?sident Li h?tten w?hrenddessen viele Telefon- und Videogespr?che mit Kanzlerin Merkel geführt. Die beiden L?nder h?tten sich gegenseitig medizinische Ressourcen zur Verfügung gestellt, ihre Erfahrungen in der Behandlung von COVID-19 zeitnah ausgetauscht und die Epidemie in ihrem jeweils eigenen Land zügig unter Kontrolle gebracht. Dadurch habe die Produktion und Gesch?ftst?tigkeit schnell wiederaufgenommen werden k?nnen. überdies sei mithilfe des speziell dafür eingerichteten ?Fast Track“ auch der Personenaustausch zwischen den beiden L?ndern zu einem gewissen Grad wieder erm?glicht worden, führte er aus.