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28. 06. 2012 | Druckversion | Artikel versenden| Kontakt |
Chinas Entwicklung auf dem Gebiet der Elektromobilit?t ist erfolgversprechend. Seit einem Jahr kooperiert die Bundesrepublik nun auf der Basis einer strategischen Partnerschaft mit der Volksrepublik. Gleichzeitig versuchen deutsche Jungunternehmer auf ihre Art vom Boom zu profitieren. Ein Vergleich.
Jungunternehmer Munkele und Schulz fluten den Markt
Welt der Elektomobilit?t? Bei den Elektrorollern ist die Volksrepublik Weltspitze, Elektroautos verkaufen sich auch in China schlecht. Der Grund: Sie sind zu teuer.
Als die beiden Studenten Eduard Hunkele und Dimitri Schulz für ihr Auslandsstudium nach China kommen, sind sie begeistert. Nicht nur, dass die vielen Elektroroller, die auf den Stra?en Yangzhous herumflitzen, ihnen den Anwendungsbereich ihres Maschinenbau- und Mechatronikstudiums aufzeigen, für die beiden sind die Stra?en der chinesischen Stadt auch wie ein Blick in die Zukunft. Eine Zukunft ohne l?stige Abgase, in der die Menschen ihr Auto nicht mehr betanken, sondern aufladen und in der sie sich mithilfe von grünem Strom fortbewegen. Die beiden fassen einen Plan: Diese Zukunftsvision wollen sie auch in Deutschland umsetzen.
Zurück an der Universit?t Furtwangen hat sie bald der Studentenalltag wieder. Doch ihre Idee lebt weiter. Sie bestellen einen Elektroroller aus China, nehmen ihn auseinander und untersuchen seine Funktionsweise, um die Elektroroller durch den TüV absegnen zu lassen und sie künftig nach Bedürfnissen des deutschen Marktes verkaufen zu k?nnen.
Seither sind zwei Jahre vergangen. Inzwischen haben Hunkele und Schulz ihr Studium beendet, haben eine Firma gegründet und sind wieder nach China gereist auf der Suche nach Partnern, die ihnen die Roller nach ihren Wünschen fertigen. "Elektromobilit?t ist einfach eine klasse Sache", meint Hunkele. "Und das wollen wir auch für Deutschland!"
Chinas Entwicklung
Dass die beiden die Roller in China herstellen lassen, ist kein Zufall Tats?chlich ist die Volksrepublik auf diesem Gebiet weltweit Spitze. Bereits im Jahr 2008 gab es hierzulande 120 Millionen Elektroroller, allein in der Hauptstadt Beijing werden sieben- bis achthunderttausend gez?hlt. Pro Jahr werden mehr als 20 Millionen Roller verkauft, mehr als das 100-fache der deutschen Verkaufszahlen. Nach Angaben des Forschungsinstituts "Pike Research" sollen im Zeitraum von 2010 bis 2016 weltweit 466 Millionen Elektror?der, -roller und -motorr?der verkauft werden, 95 Prozent davon in China.
Bis zur marktführenden Position Chinas war es jedoch ein langer Weg. "Bereits zu Beginn der 90er Jahre gab es Bestrebungen, Elektroroller auf den Markt zu bringen", erkl?rt Yang Chi-jen, Analyst am Forschungszentrum zum globalem Wandel an der Duke University in North Carolina. "Aber richtig in Fahrt kam der Markt erst gegen Ende der 90er Jahre."
Damals stieg die Zahl der Verkehrsunf?lle drastisch an. Schnell hatte die Regierung die Schuldigen gefunden: die Motorr?der und Roller mit Verbrennungsmotor wurden aus rund 90 Gro?st?dten verbannt. Die Menschen mussten sich auf die Suche nach einer Alternative begeben. Elektroroller boten sich an, denn sie galten als Fahrr?der mit Hilfsmotor und waren vom Verbot ausgenommen. Die Pedale vieler chinesischer Roller erinnern noch heute an diese Abstammung vom Drahtesel.
Alltagstauglichkeit und Rentabilit?t entscheiden
Dass sich die Chinesen auf die Elektroroller stürzten, lag aber auch daran, dass diese in vielerlei Hinsicht praktischer waren als ihre Vorg?nger mit Verbrennungsmotor: Statt zu tanken, bezog man die Energie einfach aus herk?mmlichen Steckdosen.
Dazu kommt, dass ein Elektroroller für den chinesischen Fahrer wesentlich billiger ist. Ein Roller kostet in China nur wenige hundert Euro, die Stromkosten liegen erheblich unter dem Benzinpreis. Die verwendete Technik ist anspruchslos: gr??tenteils kommt man aus ohne Kontakte, die verschlei?en, und Getriebe, das nach ?l verlangen. Aufw?ndige Reparaturen sind also sehr selten. Einzig die Batterie muss nach 300- bis 500 Ladungen gewechselt werden. Bis es soweit ist, gehen Jahre ins Land.
Die Rentabilit?t der Elektroroller haben die beiden Jungunternehmer aus Furtwangen für sich entdeckt. "Als Student ging fast mein ganzes BAf?G für Benzinkosten drauf!", erinnert sich Dimitri Schulz. "Wenn wir jetzt unsere Elektroroller verkaufen, dann versuchen wir, die Preise so niedrig wie m?glich zu halten. Wir wollen einfach m?glichst viele Roller an den Mann und die Frau bringen."
Kooperation der Regierungen
Auch die Bundesregierung setzt in Sachen Elektromobilit?t auf Kooperation mit der Volksrepublik. Im Juni des vergangenen Jahres unterschrieben Vertreter beider L?nder in Berlin eine Erkl?rung zur Errichtung einer strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und China auf diesem Gebiet. Eine Kooperation zwischen Politik und Wirtschaft, vor allen Dingen aber auch unter Universit?ten wird angestrebt.
Teil der neuen Partnerschaft ist auch die Stadt Hamburg, die als Modellregion seit letztem Jahr in einem Austausch mit der südchinesischen Stadt Shenzhen steht. "Erfahrungen, die wir in Deutschland nur sehr kleinteilig gemacht haben, bestehen in China bereits in einer ganz anderen Gr??enordnung", meint Heinrich Klingenberg, Gesch?ftführer der Firma hySolutions, die den Austausch im Auftrag der Stadt Hamburg koordiniert.
Die übertragung von Projekten aus dem chinesischen Alltag bereite jedoch h?ufig auch Schwierigkeiten, r?umt Klingenberg ein. "Nehmen wir zum Beispiel den ?ffentlichen Nahverkehr: In China spielt man mit dem Gedanken, Elektro-Busse an den Haltestellen kurz aufzuladen. Dafür müssten sie aber mindestens eine Minute an jeder Haltestelle stehen. In China sind die Bedingungen dafür gut, die zus?tzlich ben?tigten Mitarbeiter sind nicht teuer. In Deutschland macht Personal ohnehin schon 60 Prozent der Kosten aus. Mehr Mitarbeiter bedeuten hier Unproduktivit?t!"
Restriktion statt Subvention?
Auch an eine übernahme der restriktiven Politik gegenüber Verbrennungsmotoren, die im China der 90er Jahre die Elektroroller beflügelte, ist in Deutschland nicht zu denken. Obwohl auch in Europa Ma?nahmen, die auf Restriktion statt auf Subvention setzen, Erfolge vorzuweisen haben.
London ist ein Beispiel. Seit 2003 erhebt die Stadt eine Innenstadtmaut in H?he von acht Pfund (10 Euro) t?glich für jedes Auto mit Verbrennungsmotor. In der Folge stieg die Zahl der Fahrr?der in der englischen Hauptstadt – ebenso wie die Zahl von Hybrid- und Elektroautos, von denen es heute mehr als zwanzigmal so viele gibt wie vor Einführung der Zwangsma?nahme.
In Deutschland ist man mit Restriktionen gegenüber Benzinern und Dieselmotoren hingegen ?u?erst zurückhaltend. Umweltzonen wurden eingeführt, die Autos mit Katalysatoren ausgestattet - Ma?nahmen, die zum Kauf modernerer Autos anregen, nicht aber zur Aufgabe des Verbrennungsmotors.
"Ich pers?nlich bin zwar für ?hnlich drastische Ma?nahmen wie damals in der Volksrepublik", so Klingenberg. "Aber das sind politische Entscheidungen." Will hei?en: Entscheidungen von Politikern, die immer ein Auge auf die Autolobby haben.
Auch in China scheut man sich bisher vor einer Konfrontation mit der Autolobby und h?lt sich bei einschneidenden Verboten von Autos mit Verbrennungsmotor zurück. Die chinesische Regierung setzt daher inzwischen ebenfalls auf die Subvention von Elektromobilit?t. Bis 2015 will sie eine halbe Millionen Elektroautos auf den Stra?en sehen. Doch wie in Deutschland und Europa scheint auch der chinesische Markt noch nicht auf die F?rderungen und Ma?nahmenpakete der Regierung einzugehen. Nach einer Studie von McKinsey wurden seit 2009 nur 6900 Elektroautos verkauft.
Build your Dreams (BYD) ist Chinas Vorreiter bei der Entwicklung von Elektroautos und war lange Zeit das Symbol für den wachsenden Markt der Elektromobilit?t in China. Doch der Partnerkonzern von Daimler durchlebt gegenw?rtig einen Albtraum: Im vergangenen Jahr sank der Gewinn um bis zu 99 Prozent. 20 000 Mitarbeiter wurden entlassen. Die Ursache für diese Abw?rtsentwicklung ist auch im schwachen Absatz von Elektroautos zu finden.
Das Problem: Selbst in China sind die Elektroautos immer noch zu teuer. Die McKinsey-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Elektroautos um 150 Prozent teurer sind als ihre Konkurrenten mit Verbrennungsmotor – obwohl der Staat den Kunden beim Kauf eines Elektroautos bislang mit mehreren tausend Euro pro Fahrzeug unterstützte.
Kernfrage Marktdurchdringung
Beide L?nder sehen sich also insbesondere mit der Frage konfrontiert, wie man den Verbraucher für die Elektromobilit?t gewinnen kann.
Bei der L?sung dieses Problems gibt es unterschiedliche Herangehensweisen: W?hrend die beiden Jungunternehmer Hunkele und Schulz nach chinesischem Vorbild "den Markt fluten" wollen, um so Aufmerksamkeit zu bekommen und die Menschen für ihre Roller zu begeistern, setzt die Bundesregierung darauf, sich den bisherigen Fahrgewohnheiten der Bürger anzupassen:
"Generell hat sich die Bundesregierung derzeit dazu entschieden, die Forschung, Entwicklung und Pr?sentation von Elektromobilit?t zu f?rdern und nicht den Erwerb kommerziell erh?ltlicher Produkte zu unterstützen", erkl?rt der Staatssekret?r des Verkehrsministeriums Rainer Bomba gegenüber der Beijing Rundschau.
Die Meinungsverschiedenheiten über die sachgerechte Vermarktung der Elektromobilit?t ist auch ein Streit darüber, wie die Zukunft aussehen soll. Will man die Sache pragmatisch angehen und Mobilit?t aus der Steckdose schon heute im Kleinen einführen und dann gelassen weiterentwickeln, oder sich über Jahre auf die Entwicklung eines Quantensprungs vorbereiten? Die Bundesregierung tut Letzteres.
In China hat der Verkehrsteilnehmer vor allem anhand der Elektroroller praktisch erfahren wie sich Elektromobilit?t im Alltag umsetzen l?sst. "Auftanken" l?sst sich die Batterie praktisch überall: im Freien neben dem Hauseingang an einer Au?ensteckdose oder innerhalb der eigenen vier W?nde. In Deutschland wird hingegen nach Mitteln und Wegen für die Errichtung von "Stromtankstellen" gesucht, ganz nach dem herk?mmlichen Modell der Mineral?lkonzerne – h?chstens ohne Tankwart! Dass das bei l?ngeren Aufladezeiten v?llig unpraktikabel ist, erkennt auch der deutsche Autok?ufer: Nach einer Studie des TüV-Rheinland würden nur 57 Prozent der Deutschen beim Kauf eines Neuwagens ein Elektroauto überhaupt in Erw?gung ziehen, wobei hohe Anschaffungskosten und der rasche Verschlei? der Akkus die Begeisterung nachhaltig d?mpfen. In China hingegen lieb?ugeln 92 Prozent mit einem Einstieg in die Elektromobilit?t. In Deutschland wird eine Technik weiterentwickelt für die faktisch keine Nachfrage besteht.
Folglich stehen die futuristisch anmutenden Elektroautos zwar auf den Automobil- und Industriemessen herum, nicht jedoch in den Schaufenstern der H?ndler. Porsche entwickelt den neuen Porsche Boxster E, der eine Reichweite von 170 Kilometern haben soll. Bei Einschalten der Klimaanlage, sportlichem Fahren oder offenem Verdeck schrumpft die Reichweite drastisch. Selbst die Verantwortlichen schlie?en hier eine Serienproduktion aus. Was bleibt, sind Gef?lligkeitsentwicklungen, die den Tatendrang der Politik befriedigen sollen.
Zurzeit brüten die Entscheidungstr?ger auf Regierungsebene darüber, wie sich ein "Memorandum of Understanding" verfassen l?sst, auf das man sich in Grundzügen bei einem deutsch-chinesischen Treffen am Rande der Hannovermesse geeinigt hat. In dem Memorandum soll unter anderem ein Arbeitsplan mit "konkreten Terminen" vorgelegt werden. Bis zur Fertigstellung werden voraussichtlich noch einige Monate verstreichen. Bis dahin wollen die beiden Jungunternehmer Hunkele und Schulz schon ein paar Containerladungen ihrer Roller verkauft haben. Preis pro Stück: 2600 Euro. Die ersten Exemplare stehen bereits in den Schaufenstern der H?ndler.
Quelle: Beijing Rundschau
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